Die Folgen sozialer Isolation für Kinder und Jugendliche

Für die meisten Kinder und Jugendlichen ist die Schule der wichtigste Lebensbereich in ihrem sozialen Umfeld.

Leider sind viele Kinder und Jugendliche mit Langzeiterkrankungen oft für eine lange Zeit nicht in der Lage, die Schule zu besuchen. So kann die Schulabwesenheit von Kindern und Jugendlichen mit ME und Krebs von wenigen Monaten bis hin zu mehreren Jahren reichen und zwischen regelmäßiger und vollständiger Abwesenheit variieren (Dowsett & Colby, 1997; Bell, 2016). Das länger Fernbleiben der Schule führt zu einer eingeschränkten Interaktion mit anderen Kindern und Heranwachsenden. Einige Kinder verlieren in dieser Zeit vollständig den Anschluss an ihr soziales Umfeld. Welche Folgen kann diese Art der sozialen Isolation für Kinder und junge Erwachsene haben?

Soziale Isolation und psychische Gesundheitsprobleme

In einer quantitativen Studie mit 4.227 Jugendlichen im Alter von 13 bis 19 Jahren untersuchten Wissenschaftler*innen des norwegischen Sozialforschungsinstituts (NOVA) das Ausmaß psychischer Probleme bei Heranwachsenden. Im Rahmen der Studie verglichen sie Jugendliche mit und ohne engen freundschaftlichen Kontakt und stellten fest, dass ein deutlich größerer Anteil derjenigen, die keine engen Freundschaften pflegten, über depressive Anzeichen klagten. Signifikant ist, dass mehr als eines von drei Mädchen ohne enge Freund*innen angab, an depressiven Symptome zu leiden (Hartberg & Hegna, 2014).

Krankheitsbedingt nicht zur Schule gehen zu können, ist natürlich nicht gleichbedeutend damit, keine Freund*innen zu haben, denen man sich anvertrauen kann. Allerdings führt die Abwesenheit von der Schule zu deutlich weniger sozialer Interaktion und kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass manche Kinder vollständig den Kontakt zu ihrem Freundeskreis verlieren (Drachler et al., 2009).

In einer weiteren quantitativen Studie mit 4.526 Jugendlichen zwischen 13 und 19 Jahren untersuchten Forscher*innen des norwegischen Instituts für öffentliche Gesundheit Faktoren, die sich positiv und negativ auf die psychische Gesundheit junger Menschen auswirken. Unter den von ihnen untersuchten Faktoren stellten sie fest, dass "soziale Unterstützung durch Freundinnen und Freunde" und "Freizeitgestaltung mit Freundinnen und Freunde" die stärksten Schutzfaktoren gegen psychische Störungen bei Jugendlichen sind (Myklestad, Røysamb & Tambs, 2012).

Die Ergebnisse beider Studien stimmen mit früheren nationalen und internationalen Studien überein, die zeigen, dass die soziale Bindung in Form von engen Freundschaften zu Gleichaltrigen Jugendliche vor psychischen Störungen schützt. (Hirch & DuBois, 1992; Ystgaard, 1997; Kapi, Veltsista, Kavadias, Lekea & Bakoula, 2007).

Soziale Isolation und Einsamkeit

Viele assoziieren soziale Isolation mit Einsamkeit. Wenn es um Einsamkeit geht, wird oft auf die Definition von Perlman und Peplau (1981) verwiesen. Sie definieren Einsamkeit als ein negatives Gefühl - eine einsame Person erlebt eine Diskrepanz zwischen gewünschten und tatsächlichen sozialen Kontakten.

Sozial isoliert zu sein ist jedoch nicht gleichbedeutend damit einsam zu sein. Es besteht jedoch häufig ein Zusammenhang zwischen sozialer Isolation und Einsamkeit. Menschen mit wenigen sozialen Kontakten sind häufiger einsam als Menschen mit vielen sozialen Kontakten (Meeuwesen, Hortulanus und Machielse, 2001; Halvorsen, 2005). Es ist schrecklich zu wissen, dass sich einige Kinder und Jugendliche einsam fühlen. Unabhängig von Forschungsergebnissen ist den meisten Menschen bewusst, dass Einsamkeit ein sehr schmerzhaftes Gefühl ist.

Diese Erkenntnis ist jedoch nicht nur bedauerlich, sondern gefährdet zudem die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen. Studien stellten bereits Zusammenhänge zwischen Einsamkeit und psychischen Problemen fest. Darüber hinaus zeigen viele empirische Untersuchungen an Erwachsenen und Jugendlichen einen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Depression (siehe zum Beispiel Qualter, Brown, Munn & Rotenberg, 2010). Interessanterweise haben Studien herausgefunden, dass freundschaftsbezogene Einsamkeit eine größere Erklärung für depressive Symptome bei Jugendlichen liefert als elternbezogene Einsamkeit. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Freund*innen in der Jugend die bevorzugte Quelle für soziale Unterstützung sind (Lau, Chan & Lau, 1999).

Wissenschaftler*innen wissen seit langem, dass Einsamkeit bei Erwachsenen depressive Symptome im späteren Leben begünstigen kann. In letzter Zeit stellte man ebenso fest, dass einsame Kinder anfälliger für depressive Erkankungen im Jugendalter sind. In einer Studie kommen Forscher*innen zu dem Schluss, dass die Prävention von Einsamkeit in der Kindheit ein effizienter Schutzfaktor gegen Depressionen im Erwachsenenalter sein kann (Qualter et al., 2010).

Zusammenfassung

Viele langzeitkranke Kinder und Jugendliche sind über längere Zeiträume nicht dazu in der Lage die Schule zu besuchen. Dies hat zur Folge, dass sie nur wenig Gelegenheit haben, Zeit mit anderen Kindern und Jugendlichen zu verbringen, was dazu führen kann, dass sie den Anschluss an ihr soziales Umfeld vollständig verlieren. Dies ist sowohl traurig als auch alarmierend, da die Forschung deutlich zeigt, dass soziale Isolation und Einsamkeit häufig mit psychischen Störungen, einschließlich depressiver Störungen, einhergehen.

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Literaturverzeichnis

  1. Bell, D. S. (2016). “ME/CFS in Children” retrieved from http://www.prohealth.com/library/showarticle.cfm?libid=28892.
  2. Drachler, L.M., Leite, C.C.J., Hooper, L., Hong, C., Pheby, D., Nacul, L., Lacerda, E., Campion, P., Killett, A., McArthur, M., Poland, F., 2009. The expressed needs of people with Chronic Fatigue Syndrome/Myalgic Encephalomyelitis: A systematic review. BMC Public Health 9, 458.
  3. Dowsett, E. G., & Colby, J. (1997). Long-term sickness absence due to ME/CFS in UK schools: an epidemiological study with medical and educational implications. Journal of Chronic Fatigue Syndrome, 3(2), 29-42.
  4. Halvorsen, K. (2005). Ensomhet og sosial isolasjon i vår tid. Gyldendal Akademisk.
  5. Hartberg S. & Hegna K. (2014). Hør på meg - Ungdomsundersøkelsen i Stavanger 2013. Norsk institutt for forskning om oppvekst, velferd og aldring, NOVA Rapport 2/2014.
  6. Hirsch, B. J., & DuBois, D. L. (1992). The relation of peer social support and psychological symptomatology during the transition to junior high school: A two‐year longitudinal analysis. American Journal of Community Psychology, 20(3), 333-347.
  7. Kapi, A., Veltsista, A., Kavadias, G., Lekea, V., & Bakoula, C. (2007). Social determinants of self-reported emotional and behavioral problems in Greek adolescents. Social psychiatry and psychiatric epidemiology, 42(7), 594-598.
  8. Lau, S., Chan, D. W., & Lau, P. S. (1999). Facets of loneliness and depression among Chinese children and adolescents. The Journal of Social Psychology, 139(6), 713-729.
  9. Myklestad, I., Røysamb, E., & Tambs, K. (2012). Risk and protective factors for psychological distress among adolescents: a family study in the Nord-Trøndelag Health Study. Social psychiatry and psychiatric epidemiology, 47(5), 771-782.
  10. Meeuwesen, L., Hortulanus, R., & Machielse, A. (2001). Social contacts and social isolation: A typology. The Netherlands journal of social sciences, 37(2), 188-199.
  11. Perlman, D., & Peplau, L. A. (1981). Toward a social psychology of loneliness. Personal relationships, 3, 31-56.
  12. Qualter, P., Brown, S. L., Munn, P., & Rotenberg, K. J. (2010). Childhood loneliness as a predictor of adolescent depressive symptoms: an 8-year longitudinal study. European Child & Adolescent Psychiatry, 19(6), 493-501.
  13. Ystgaard, M., Tambs, K., & Dalgard, O. S. (1999). Life stress, social support and psychological distress in late adolescence: a longitudinal study. Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology, 34(1), 12-19.